Wer kennt sie nicht? Unsere Vorstellung und die Wände der Kirchen sind voll von ihnen: diese Bilder von Gott, der als alter Mann mit Bart die Welt in seiner Hand hält; dazu das königliche Zepter. Oder die Taube, die aus dem in einem Dreieck dargestellten Vatergesicht auf Jesus herabschwebt. Die Menschen aller Zeiten wollen Gott und sein Wesen auf menschlich fassbare Weise darstellen. Aber: All das sind nur Bilder (!) für eine Wirklichkeit, die unendlich viel beeindruckender, realer, faszinierender, erfüllender ist. Gott!
Wer aber ist dieser Gott? Können wir ihn uns überhaupt vorstellen? Dürfen wir uns überhaupt Bilder von ihm machen oder müssen wir ihn nicht viel mehr in Geist und Wahrheit anbeten (vgl. Joh 4,23)?
Würden wir Menschen bei Abbildern Gottes stehen bleiben, würden wir zu einer Karikatur erniedrigen. So gilt es also zuerst einmal, dass wir unser Gottesbild reinigen. Wir wollen es der Wirklichkeit annähern. Das kann unangenehm sein, denn eingefahrene Wege zu verlassen, birgt immer ein Risiko in sich; aber nur dann werden wir neue Wirklichkeiten und Möglichkeiten entdecken können.
Über Gott zu schreiben ist immer gefährlich. Was man sagt, bleibt hinter dem zurück, was Gott wirklich ist. Er ist immer größer, schöner, mächtiger, liebender… Und doch will er, dass wir über ihn sprechen und nachdenken, mit ihm in Beziehung treten. Vor diesem Hintergrund beginnen wir den Weg.
Was sagen uns die Heilige Schrift und die Philosophie über Gott? Zuerst einmal und ganz grundlegend: Gott ist GEIST! (Joh 4,24), reiner Geist. Hier stellt sich uns bereits die erste Frage: Was soll das bedeuten: Geist? Was tut ein Geist? Was kann er? Wie kann ich ihn mir vorstellen? Was ist er nicht?
Wir wollen einen kleinen Ausflug in die Welt des Geistes machen, um diese Fragen einer Antwort anzunähern: „Geist“ steht ganz grundsätzlich „Materie“ gegenüber. Beide sind uns geläufige Begriffe, aber Materie stellt sich uns doch viel einfacher dar. Die können wir anfassen, sehen, umreißen, sie hat Farbe, Gestalt und Form. Materie wird von den Naturwissenschaften erforscht. Physik, Chemie, Biologie, Astronomie usw. sprechen über sie.
Was aber ist Geist? Was „tut“ er? Ihn können wir nicht sehen, nicht anfassen, nicht festhalten. Aber wir vollziehen in unserem Leben „geistige Akte“. Wenn wir diese betrachten, können wir Geist besser fassen:
Wir Menschen denken, überlegen, wir bilden abstrakte Begriffe (wie z.B. „Ehrlichkeit“, „Liebe“). „Abstrahieren“ bedeutet „weg-ziehen“. Wir lassen das Materielle beiseite, und begreifen mit unserem Geist das, was dahinter steckt, und das wir mit einem Begriff ausdrücken. Diese Fähigkeit des Geistes nennen wir „erkennen“, „verstehen“. Und daher „wissen“, „reflektieren“ wir. Das tut der Geist in uns.
Gleichzeitig besitzen wir eine zweite Fähigkeit: Wir erfahren in uns – wenn auch oft etwas unbewusst – eine Freiheit, die uns die Möglichkeit gibt, in bestimmten Situationen auf sehr unterschiedliche Arten zu handeln. Das nennen wir Willensfreiheit. Sich bewusst für eine von vielen Möglichkeiten zu entscheiden, nennen wir „Wahlfreiheit“ oder „freie Willensentscheidung“.
Beide Eigenschaften – Denken und freie Willensentscheidung – sind dem Geist zu eigen. Tiere haben diese nicht. Sie folgen Instinkten, leben im „hier und jetzt“. Wir können ganz anders als die Tiere handeln. Warum? Weil wir anders sind; weil wir etwas Anderes in uns haben, nämlich Geist. Geist, der abstrakt denken, der sich frei entscheiden kann. Und die beiden „Instrumente“ dazu (auch Potenzen genannt) nennen wir Intellekt und Wille.
Nun aber wieder zurück zu Gott. Wenn Gott Geist ist, dann bedeutet das zuerst einmal, dass er nicht materiell ist (also keinen Bart trägt, keine menschliche Form besitzt, nicht sichtbar ist, weder Mann noch Frau). Gott ist unsichtbar, aber doch existent. Er ist überall gegenwärtig und doch unserem Auge verborgen. Er ist allmächtig und lässt uns doch unsere Freiheit. Gott ist Geist.
Als Geist kann er auch „denken“ oder „erkennen“, kann er auch „frei entscheiden“ oder „wollen“. Aber in Gott nehmen Erkennen (Intellekt) und Wollen (Wille) eine ganz neue Form an. Sie sind nämlich nicht begrenzt wie bei uns, sondern sie sind unbegrenzt und vollkommen.
Beim Erkennen bedeutet dies, dass Gott nicht nur manches oder vieles weiß, sondern alles. Er ist, so sagen wir, „allwissend“. Diese Allwissenheit umfasst in sich, dass Gott sowohl Ereignisse als auch Taten, aber auch die inneren Gedanken und Wünsche der Menschen genau kennt. Und nicht nur das, sondern er kennt auch alles, was in der Vergangenheit getan, gedacht, gewollt, ersehnt wurde. Und noch weiter: Gott kennt in seinem Allwissen auch die Taten, Gedanken, Worte aller Menschen, inklusive meiner, die in der Zukunft geschehen werden (ohne sie jedoch vorherzubestimmen). Denn für Gott entwickelt sich die Geschichte der Menschheit nicht Tag für Tag, sondern alles liegt ganz offen vor ihm da, mit einem „Blick“ durchdringt dieser göttliche Geist alle Zeiten, alle Orte, einfach alles, da er nicht in Zeit und Raum lebt. Er ist: allwissend.
Auch sein Wollen ist anders als das unsere. Er ist nicht begrenzt. Sein Wollen ist sofort, total, umfassend. Wir nennen das „Allmacht“. Gott kann alles tun, was er will, sogar etwas aus Nichts erschaffen. Einfach so, weil er will. So ist sein Wollen: allmächtig. Und so hat er auch das Universum gemacht. Einfach so, weil er wollte. Aus dem Nichts.
Das also wollen wir festhalten: Gott ist eine rein geistige (also nicht-materielle) Person (fähig zu Beziehungen), unendlich und unbegrenzt, die allmächtig und allwissend ist. Eine tiefe Wirklichkeit, die man nicht einfach mit einmal Lesen begreifen kann. Hier muss man innehalten und betrachten; still werden und staunen. Haben Sie keine Angst, vor dem wahren Gott zu verweilen. „Fürchte dich nicht...“ Und doch erschauern wir, wenn wir in unserem Leben diesem Gott auf die Spur kommen.
Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten. (Joh 4,24)
Dies ist das erste Kapitel aus dem Buch "Einmal Gott und zurück" von P. Klaus Einsle. Dieses Buch basiert auf einer Serie von Artikeln in unserem L-Magazin.