Donnerstag, 20. Dezember 2018

Hat Gott aufgegeben?

Interview zur Buchneuerscheinung „Exodus“ mit P. Anton Vogelsang LC

400 Jahre nach dem Ende des Buches Genesis: Das Volk Israel befindet sich in großer Not. Hat Gott aufgegeben? Nein, er bleibt treu! Er kämpft um sein Volk und befreit es in einem filmreifen Showdown aus der Willkürherrschaft des Pharaos. Mose führt den Auszug aus Ägypten in die Wüste an: neugewonnene Freiheit. Aber es dauert nicht lange, bis die Menschen ihren Retter vergessen.

„Dieses Buch ist für alle jene, die die Bibel lesen wollen, aber daran scheitern, weil sie ihnen zu langweilig ist, zu viel Gewalt enthält oder sie darin keinen Bezug zu ihrem Leben finden...“, sagt P. Anton.

Im Interview spricht P. Anton über die Hintergründe zu seinem neuen Buch:

P. Anton, vor Kurzem haben Sie Ihr neues Buch „Exodus“ veröffentlicht. Zum zweiten Mal schreiben Sie damit ein Buch über die Bibel. Wann kam Ihnen die Idee dazu? 

P. Anton: Die Idee kam mit dem ersten Buch („Genesis“). Die Bibel ist nicht eine Sammlung von Büchern, sondern erzählt eine durchgehende Geschichte. Um die einzelnen Teile der Bibel richtig verstehen zu können, muss uns zuerst das klar sein, dass es um eine Geschichte Gottes mit den Volk Israel geht.

Ist das nicht zu viel, zum großen Buch der Bibel noch weitere umfassende Bücher zu schreiben? Welches Buch sollte man zuerst lesen, die Bibel oder Ihr Buch?

P. Anton: Mein Buch ersetzt die Bibel nicht, es erleichtert die Lektüre. Es erklärt die Zusammenhänge. Viele finden die ersten Bücher der Bibel ja noch spannend, doch spätestens beim Buch Levitikus wird es vielen zu trocken und sie hören mit der Lektüre auf oder verlieren den roten Faden. Dann lesen viele direkt im Neuen Testament weiter, weil es leichter zu lesen ist und irgendwie schöner. Es scheint unserem Leben näher. Doch wenn man nur stückweise aus dem Neuen Testament liest, wird man die Geschichte Gottes mit dem Menschen und was er uns sagen will nie ganz verstehen.

Was fasziniert Sie so sehr an der Bibel?

P. Anton: Am Ende habe ich entdeckt, dass die Geschichte, die die Bibel erzählt, nicht auf der letzten Seite endet, wie bei einem Roman, sondern die Geschichte geht weiter in meinem Leben, die Bibel ist somit auch meine Geschichte. Sie zeigt mir auf, woher ich komme und wohin ich gehe.

Mit wie vielen Büchern von Ihnen über die Bibel ist noch zu rechnen?

P. Anton: Ich werde keine 70 Bücher schreiben – wie die Bibel Bücher hat (lacht). Ich konzentriere mich auf die narrativen Bücher in der Bibel. Es gibt noch andere in der Bibel, wie z.B. die Psalmen und die Bücher der Weisheit.

Als nächstes möchte ich ein Buch über Maria schreiben. Ich möchte Maria im Alten Testament aufzeigen. Das dritte Buch der aktuellen Reihe wird sich dann mit den Büchern Levitikus und Deuteronomium befassen. Gern möchte ich auch noch über das Königreich Davids schreiben und die Propheten.

Woher nehmen Sie das Wissen, um darüber schreiben und kommentieren zu können, was in der Bibel steht?

P. Anton: Ich sage in meinen Büchern eigentlich nichts Neues… Nach 2.000 Jahren Bibelauslegung sollte man auch vorsichtig sein zu sagen, man hätte etwas Neues entdeckt.

Was ich schreibe, findet sich in anderer Form auch bei den Kirchenvätern und im Katechismus. Doch genau dieses Wissen ist heute oft unbekannt bzw. verloren gegangen. Außerdem habe ich mich bemüht, die Inhalte der Bibel gut strukturiert für den Leser aufzubereiten und zusammenzufassen.

Inwieweit haben Ihre Erfahrungen als Priester und Seelsorger dazu beigetragen, dass Sie begannen, Bücher über die Bibel zu schreiben?

P. Anton: Die Bibel ist schon so eine Art Lieblingsthema für mich als Priester. Ich habe aber auch immer das Interesse gesehen, das unter Laien und sogar Atheisten besteht, die Bibel besser verstehen zu wollen. Die Bibel ist ein Geheimnis. Einerseits glauben wir, dass es das Wort Gottes ist, andererseits scheitern wir oft an der Lektüre, da sie uns langweilig erscheint, weil es zu viel Gewalt gibt und wir keinen Bezug zu unserem eigenen Leben finden. Das erschreckt und irritiert viele. Es gibt eine echte Sehnsucht unter Christen, die Bibel besser kennenlernen zu wollen.

Sie sprachen gerade davon: Gewalt in der Bibel. Manche lassen diese Stellen deshalb heute gern einfach weg. Wie gehen Sie damit um?

P. Anton: Zunächst eine theologische Antwort: Es wäre eine Häresie, diese Stellen der Bibel einfach zu unterschlagen. Die Versuchung dies zu tun, ist nicht neu in der Kirche. Darüber hinaus glaube ich, dass man das Neue Testament ohne das Alte Testament nicht verstehen kann. Vielleicht hilft zum Verständnis das folgende Bild: Auf die größten Momente in unserem Leben bereiten wir Menschen uns lange und intensiv vor, z.B. auf die Hochzeit und die Priesterweihe. Auch Gott hat die Menschen über eine lange Zeit auf den größten denkbaren Moment überhaupt vorbereitet – das größte Ereignis in der Geschichte und im Universum: die Menschwerdung seines Sohnes. 2.000 Jahre lang hat er ein Volk ausgewählt, begleitet und geführt. Denn Gott wurde Mensch innerhalb eines konkreten Volks, einer konkreten Zeit und Kultur. Die Bibel erzählt die Geschichte der Vorbereitung darauf, mit allen Höhen und Tiefen.

Noch einmal ganz konkret: War Gott früher gewalttätig?

P. Anton: Nein! Und Gott hat sich nie geändert! Diese Antwort setzt aber auch voraus, dass man die Bibel immer im Kontext liest, eine schnelle Antwort ist deshalb nicht ohne weiteres möglich. Die Bibel ist als eine Einheit zu lesen. Das ist sehr wichtig für die Antwort darauf.

Nun kannten die Menschen zur Zeit des Alten Testaments z.B. die Bergpredigt noch nicht. Hatten sie damals deshalb ein anderes Gottesbild?

P. Anton: Ich denke nicht. Sie waren sich stets bewusst: Gott hat uns gerettet.

Anders betrachtet: Der Glaube der Menschen beruht nicht auf intellektuellen Fragen, z.B.: Wie könnte Gott sein? Welche Vorstellungen kann ich von Gott haben? Solche Ansätze finden wir bei Nietzsche und Feuerbach. Der Glaube erwächst vielmehr aus einer Erfahrung. Das Volk Israel hat erfahren: Gott hat einen Bund mit uns geschlossen und er ist treu zu diesem Bund, er hat uns errettet und zu seinem Volk gemacht.

An welche Leser richten Sie sich mit Ihrem Buch?

P. Anton: In den Buchhandlungen findet man heute oft christliche Bücher die eher niederschwellig sind oder sehr wissenschaftlich – und deshalb kaum jemand versteht. Ich habe versucht, Bücher zu schreiben, die in der Mitte davon liegen. Es sollen theologisch ernsthafte und gleichzeitig verständliche Bücher sein, für Menschen, die im Glauben wachsen und sich mit dem Glauben auseinandersetzen wollen. Ich nenne es einmal „Brot-und-Butter-Theologie“.

Was wollen Sie mit Ihren Büchern erreichen?

P. Anton: Vor allem, dass die Leser den katholischen Glauben dadurch besser verstehen können. Vieles, was zur Glaubenspraxis und -tradition gehört, scheint nicht direkt in der Bibel zu stehen. Das liegt auch daran, dass wir die Bibel oft nur wie eine Gebrauchsanleitung lesen. Doch wenn wir die vielen Verknüpfungen und Zusammenhänge innerhalb der Bibel erkennen, gerade zwischen Alten und Neuen Testament, dann lernen wir auch unseren Glauben besser verstehen.

Was ist Ihre Lieblingsstelle im neuen Buch?

P. Anton: Die Erklärungen zum Wettstreit zwischen Gott und dem Pharao, und die zehn Plagen (ab Seite 51). Lesen Sie selbst!

Danke, P. Anton, für das Gespräch!

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(Das Interview führte Karl-Olaf Bergmann.)

Additional Info

  • Untertitel:

    Interview zur Buchneuerscheinung „Exodus“ mit P. Anton Vogelsang LC

  • Kategorie News : Aktuelles aus anderen Bereichen
  • Datum: Ja
  • Druck / PDF: Ja
  • Region: Deutschland

    

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