Der unscheinbare Beginn einer großen Erneuerung
Im Jahr 1205 betritt ein junger Mann eine kleine, zerfallene Kirche, getrieben von Sehnsucht nach innerer Klarheit.
Desillusioniert durch zerplatzte Träume, innerlich verwundet von schweren Erlebnissen erfleht er von Gott einen Fingerzeig für sein Leben. „Franziskus, geh hin und baue meine Kirche wieder auf!“, hört er von einem Bild des Gekreuzigten herab, dessen Blick ihn plötzlich ganz einnimmt. Ganz nahe gekommen spürt er den Herrn. Freudig, ohne Zögern sagt Franziskus Ja und beginnt, die umherliegenden Steine der kleinen Kirche aufzusammeln und mit seinen eigenen Händen an ihren Platz zurückzutragen.
Er ahnt nicht, welch bedeutenden Weg der Herr mit ihm hier beginnt und wie erneuernd seine Nachfolge auf die ganze, damals geistig darniederliegende Kirche ausstrahlen wird!
Wenn Gott mich aus der Deckung ruft
Was wäre, wenn diese Worte heute mich träfen: Konstantin, geh hin, und baue meine Kirche wieder auf! Stellen Sie sich vor, Sie hörten im Gebet genau diese Bitte: Baue meine Kirche wieder auf! Wie würden wir reagieren? Mit Schrecken, Überforderung und Abwehr oder auch mit Freude wie der heilige Franziskus?
Vielleicht erschrecken wir, weil das gesamtkirchliche Ringen um die rechten Um- und Aufbrüche unseren Blick auf das Sein der Kirche in uns selbst verstellt. Vielleicht, weil uns die institutionellen Fragen der Kirche davon abhalten, mit Jesu lebendiger Gegenwart in uns in Berührung zu sein. Franziskus dachte bei seinem Ja nicht an die große Kirche, er freute sich über die Zuwendung des Herrn und bezog dessen Wort ganz auf sich und sein konkretes Umfeld: Jeder Stein, den er aufhob, war ein frohes Ja zu Jesu Kommen in sein Leben. Franziskus gab Christus solch weiten Raum in sich, dass Jesu Geist von ihm auch auf andere übersprang, die sich ihm anschlossen.
Darf Gott mir nahe kommen?
Dort, wo die Gegenwart und das Wirken Gottes im und unter Menschen Raum nehmen darf, erfahrbar wird und echte Gemeinschaft hervorbringt, da ist Kirche lebendig! Die Kirche ist und soll Zeichen – Sakrament – der Gegenwart und des Wirkens Gottes unter uns sein. Meist berührt uns an Heiligen nicht zuerst deren großes Wirken. Mehr berührt uns oft ihre intensive Gottesnähe, denn wir spüren, dass es uns bei allem Suchen nach Gott dann doch gar nicht so leicht fällt, ihn wirklich nahe an uns und unser konkretes Leben heranzulassen.
Die ganze Heilsgeschichte erzählt das Drama von Gott, der immer wieder neu die Nähe und Einheit mit dem Menschen sucht, und vom Menschen, der sich immer wieder von ihm abwendet und in seine Vorstellung von Gott und seine Ansichten über das, was er tun sollte, zurückzieht. Gottes Wahrheit und Liebe ziehen uns an. Aber seine Heiligkeit legt auch offen, was in uns noch nicht heilig, noch nicht liebend ist.
Es geht nicht ohne mich
„Wir wollen Gott gar nicht so nahe; wir wollen ihn nicht so klein, sich herabbeugend; wir wollen ihn groß und ferne haben.“
(Joseph Ratzinger, Benedikt XVI.)
Oft erhoffen wir von Gott, dass er „die Dinge regelt“. Das will er auch, aber nicht ohne und außerhalb von uns, sondern immer in, mit und durch uns. In, mit und durch mich, indem er mich durch nahe Beziehung nach und nach in die Person wandelt, die ihm immer ähnlicher wird und seine Gegenwart erfahrbar werden lässt. Die Geschichte der Kirche zeigt, dass Gottes Geist die entscheidenden Wendungen durch Einzelne wirkt, die sich ihm ganz öffnen – wie es der heilige Franziskus tat. Wahrhaft heilsame Entwicklungen für alle beginnen in der Stille des einzelnen menschlichen Herzens. Denn Menschen, die sich von ihm ergreifen lassen, führt Gott in liebevolle Gemeinschaft miteinander, die heilsam auf ihr Umfeld ausstrahlt.
Mit Gott den Neuanfang wagen
„Baue meine Kirche wieder auf!“ – in solchem Sinn geht dieser Ruf heute tatsächlich auch an mich und an Sie! Sie und ich sollen lebendige Steine der Kirche sein, von Gott geheiligte Glieder am Leib des Herrn, der die Kirche bildet. Ich möchte Sie darum einladen, diesen Ruf während einer Novene vom 16. bis zum 24. Dezember mit Betrachtungen zu den O-Antiphonen der letzten Tage im Advent tiefer ins Herz einzulassen. Lassen Sie uns betend bitten: Komm, Herr Jesus, und erneuere mich, damit Dein Geist auch durch mich heilsam in meiner Familie, unter meinen Freunden, in meiner Pfarrei, meiner Gemeinschaft und in deiner Kirche wirken kann!
Gott beginnt Großes im Kleinen und Unscheinbaren
Wenn wir Weihnachten an die Krippe treten, ist auch diese ein Geschenk des heiligen Franziskus an uns. Er wollte Jesu Nähe erfahrbar machen, aufzeigen, dass Gott Großes gerade im Kleinen und Unscheinbaren zu wirken beginnt. So stellte er 1223 in den Bergen von Umbrien die Geburt Jesu erstmals durch eine lebendige Krippe dar und ließ die Priester dort die Christmette feiern. Von tiefer Freude und neuer Hoffnung wurden alle erfüllt, die das miterlebten. Diese aufbauende Erfahrung aus der innigen Begegnung mit dem uns in Jesus ganz nahe kommenden Gott wünsche ich Ihnen von Herzen zu diesem Weihnachtsfest!
Ihr P. Konstantin Ballestrem LC
Die Weihnachtsnovene als Download
Kurze Impulse zur Weihnachtszeit
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Die Weihnachtsnovene als PDF
Hier finden Sie die Gedanken von Pater Konstantin Ballestrem LC in Briefform und die gesamten Gebete der Weihnachtsnovene als PDF:
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„In der Stille geschehen ja die großen Dinge.
Nicht im Lärm und Aufwand der äußeren Ereignisse,
sondern in der Klarheit des inneren Sehens, in der leisen Bewegung des Entscheidens,
im verborgenen Opfer und Überwinden: wenn das Herz durch die Liebe berührt,
die Freiheit des Geistes zur Tat gerufen… wird.
Die leisen Mächte sind die eigentlich starken.“
(Romano Guardini)