Aus dem Chiemgau, dem Allgäu, aus Franken und dem Rheinland reisen 60 Jugendliche am 18. September 2021 in Fahrgemeinschaften und mit der Bahn nach Berlin, um bei nasskaltem Wetter am „Marsch für das Leben“ teilzunehmen. Begleitet wurden sie dabei von P. Martin Baranowski LC, P. Alejandro Espejo LC und Bernadette Ballestrem, einer gottgeweihten Frau im Regnum Christi. Der Großteil ist zum ersten Mal dabei, einige kommen schon seit mehreren Jahren immer wieder.
Eine Stimme für die Stimmlosen
„Den Stimmlosen eine Stimme geben, Gleichgesinnte treffen und sich in der freundschaftlichen Gemeinschaft bestärken und vernetzen“, beschreibt ein Jugendlicher seine Motivation für die Teilnahme. „Ich möchte Zeugnis geben. Es gibt uns, wir sind jung, und wir stehen für das Leben“, ergänzt ein anderer. „Wir sind für etwas und nicht gegen jemanden“, unterstreicht ein dritter und ein vierter fügt hinzu: „Ich war dabei, da mir das ungeschützte Leben am Herzen liegt. Neben Gebet und persönlichen Gesprächen mit meinen Mitmenschen über dieses Thema ist der Marsch für das Leben eine besonders gute Möglichkeit, in Politik, Kirche und Gesellschaft Zeugnis zu geben und für das Thema zu sensibilisieren.“
Menschenwürde ohne Abstriche
Unterstützung findet das Anliegen von Papst Franziskus, der am 15. September auf dem Rückflug von seiner Auslandsreise in die Slowakei nach Rom erklärte: „Die Abtreibung ist mehr als ein Problem, es ist ein Mord, wer eine Abtreibung durchführt, tötet, um es ohne Schönsprecherei zu sagen. […] Es ist ein Menschenleben! Dieses Menschenleben muss respektiert werden, dieses Prinzip ist so klar! An diejenigen, die es nicht verstehen können, möchte ich diese Frage stellen: Ist es richtig, ein Menschenleben zu töten, um ein Problem zu lösen? Ist es richtig, einen Auftragskiller anzuheuern, um ein Menschenleben zu töten? Wissenschaftlich gesehen ist es ein Menschenleben. Ist es in Ordnung, es herauszunehmen, um ein Problem zu lösen? Deshalb geht die Kirche in dieser Frage so hart um, denn wenn sie Abtreibung akzeptiert, ist es, als würde sie den täglichen Mord akzeptieren.“ Und Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, schreibt in seinem Grußwort an die Teilnehmer: „Die Überzeugung, dass allen Menschen die gleiche unantastbare Würde zukommt, muss mit demselben Ernst und ohne Abstriche auch für das Leben ungeborener Kinder gelten. Dem ungeborenen Kind kommt ab dem ersten Moment seiner Zeugung ein eigenständiger Schutzanspruch zu.“ Drei katholische Bischöfe nahmen am Samstag in Berlin selbst am „Marsch für das Leben“ teil: Bischof Wolfgang Ipolt (Görlitz), Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) und Weihbischof Florian Wörner (Augsburg).
„Jesus war mein Therapeut“
Am Abend des erlebnisreichen Tages traf die Gruppe Frau Andrea Müller mit ihrem Ehemann Christoph sowie ihren Kindern Raphael und Angelina. Frau Müller berichtete von der Gründung und den Beratungserfahrungen bei „Schwanger - Du bist nicht allein e.V.“ Bereits nach wenigen Minuten war allen Teilnehmern klar: Was diese Familie tut, ist kein Beruf, sondern eine Berufung, hier wird kein Job erledigt, es brennt eine Leidenschaft. Hintergrund ist die Biographie, über die Frau Müller offen spricht: Bereits als Sechsjährige spürte sie, dass sie eigentlich eine Zwillingsschwester habe. Sie konnte sich in der Schule nicht mehr konzentrieren. Mit 13 Jahren fiel sie in Magersucht und eine Tablettenabhängigkeit. Mit 15 Jahren gestand ihr die Mutter endlich, dass sie wirklich eine Zwillingsschwester hatte: „Eine wurde abgetrieben, die andere ist geblieben“, hatte der Arzt gesagt. Das war für die junge Frau der Beginn einer großen Krise, in der sie sich für wertlos und ungeliebt hielt. Die Wende brachte eine Jesuserfahrung: „Jesus war mein Therapeut. Ich hörte die Worte: Ich reiße nieder und baue auf. Ich bin dein Gott und rette dich.“ Lange Seelsorgegespräche sowie auch professionelle Behandlung führten zur Erkenntnis und Bejahung: „Ich darf leben.“
Das Loch bleibt
Seitdem versucht die Berlinerin ihre eigenen Erfahrungen und die Erkenntnisse einer fachlichen Ausbildung mit Frauen in Not zu teilen und ihnen zu vermitteln: „Viele Konfliktsituationen von Frauen wurzeln nicht an der Schwangerschaft und am Kind, sondern an Wunden und Verletzungen aus der Familiengeschichte.“ Als Beraterin weiß sie: „Auf der Straße schreien viele: Abtreibung ist gut! Im Beratungszimmer sieht das oft ganz anders aus. Menschen in Not brauchen nicht zuerst eine Belehrung, sondern zuerst jemanden der ihnen zuhört und sie versteht.“ Der christliche Glaube ist für die Helferin ein ganz wichtiger Baustein: „Vergebung ist wichtig, aber das Loch ist trotzdem da. Nur Gott kann die Tiefe des Traumas erfassen. Da ist das Gebet wichtig: Gott möchte hinein und Heilung schenken.“
Liebhaber der Seele
Ehemann Christoph hat seine Frau durch die Höhen und Tiefen der Verarbeitung ihrer Wunden begleitet. Die Motivation und Kraft dazu fand er ebenfalls im Glauben und der Jesusbeziehung: „Wer nicht hat, der kann nicht geben. Also geh dahin, wo es kostenlos etwas gibt. Hol von ihm, damit du etwas zu geben hast. Es ist nicht schlimm, zerbrochen zu sein. Wenn ich am Boden liege, dann kann Gott etwas mit mir anfangen.“ Zahlreiche Fragen und sein lebhafter Austausch zeigten, dass die Jugendlichen vom Thema sehr berührt waren und die Referenten als authentisch erlebt hatten. Schlussendlich ermutigt das Ehepaar seine Zuhörer zum Einsatz für das Leben: „Ihr seid die Generation, mit der Gott etwas vorhat. Gott ist der Liebhaber eurer Seele.“
Würde, Freiheit und Liebe
Neben dem Marsch und dem Zeugnis ist auch das gemeinsame Gebet ein wichtiger Bestandteil der Jugendfahrt. Bei der Abschussmesse am Sonntag fasst P. Martin Baranowski ausgehend vom Tagesevangelium die christliche Haltung zum Leben in der Dienstbereitschaft zusammen: „Jesus ruft in den Dienst – ein Dienst, der nicht erniedrigend oder unterwürfig ist, sondern aus einer Haltung der Würde, der Freiheit und der Liebe kommt. Wirklich dienen kann nur, wer sich selbst angenommen, geschätzt und geliebt weiß. Es geht nicht mehr darum, was ich davon habe und was mir das bringt, sondern was ich geben kann. Zu der Größe des Gebens, die tief erfüllt und glücklich macht, ruft Jesus jeden Menschen.“
Die Predigt haben wir für Sie auf Soundcloud zum Nachhören bereitgestellt!
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