Der Weltjugendtag fand vom 15. bis zum 21. August dieses Jahres statt. In Madrid trafen sich an die 2 Millionen Jugendliche aus der ganzen Welt. Die im Anschluss an diese Tage verfassten Reiseberichte zahlreicher Jugendlicher sind ein bewegendes Zeugnis ihrer ganz persönlichen Erfahrungen von Weltkirche, ein lebendiges Glaubenszeugnis und ermutigende Zeichen der Hoffnung, die Gott der Welt heute schenken möchte. Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle auch den folgenden Reisebericht von Rudolf Gehrig veröffentlichen:
„Als wir spätabends in Madrid ankommen, lässt die immer noch herrschende Wärme die Hitze der kommenden Tage bereits leicht erahnen und manch einer bereut es, überflüssigerweise Pullover und lange Hose eingepackt zu haben.
Wir, das ist eine Gruppe Jugendlicher der Apostolatsgemeinschaft Regnum Christi, sind gemeinsam in einer Universität untergebracht, 2000 Leute sind es insgesamt, aus Deutschland sind es etwa 240. Es verspricht, interessant zu werden.
Als ich mir einen Platz in einem der Klassenzimmer erkämpft und meinen Schlafsack ausgerollt habe, lerne ich einen jungen Mann kennen, der lediglich 15 km von meinem Heimatdorf entfernt wohnt. Wie klein doch die Welt ist!
Erstes Treffen mit dem Papst
Bereits beim Aufstehen ist es relativ warm, das Frühstück mickrig und schon geht‘s in Kleingruppen von zehn Personen ab in die Busse und nichts wie rein nach Madrid!
Die ganze Stadt ist gesäumt von Pilgern aus aller Herren Länder, von Samba tanzenden Brasilianern über „U-S-A!“ skandierenden Amerikanern bis hin zu bärtigen Türken. Es herrscht Ausnahmezustand.
Endlose Schlange im Burger King, 75 Minuten anstehen bis zur Kasse, dann gilt die Essensmarke nicht – ein Grund zum Unmut? Weit gefehlt! Irgendjemand stimmt ein Lied an, der Rest klatscht mit oder hört andächtig zu. Die Deutschen klatschen zur französischen Nationalhymne, die Spanier tanzen Flamenco zum Gekreische der mexikanischen Mädchen, die Amerikaner dichten europäische Radiohits um und immer wieder stimmen alle ein in den dreifachen Viva!-Ruf: „Viva el Papa! Viva!“
Eine halbe Stunde an der Straße stehen, um 10 Sekunden lang den Papst vorbeifahren zu sehen – Menschen, denen eine Warteschlange von sechs Kunden im Supermarkt zu riesig erscheint, bekommen hier ein neues Gefühl für Zeit.
Ein brasilianischer Fernsehsender will ein Statement von mir. Dann endlich der Papst im Papamobil, sein Blick, der sich sekundenlang nach unserer Bayernfahne umdreht, elektrisiert mich. Dann ist es schon wieder vorbei.
Die Vigilfeier am Flughafen
Der Höhepunkt ist jedoch eindeutig die Zeit auf dem riesigen Gebiet um Cuatro Vientes. Nach schier endlosem Warten auf die Metro, scheinbar kilometerlangem Fußmarsch und der unbarmherzigen Sonne erreichen wir das riesige Gelände, über dem der Staub der trampelnden Menge liegt.
Gegen Abend kühlt die Temperatur ab und auf Extraplätzen genießen wir gemeinsam mit Papst Benedikt die Vigil. Die ganze Vigil über herrscht großer Enthusiasmus, welcher nicht abnimmt, als es sogar zu regnen beginnt. Der Regen wird stärker, ein Sturm zieht auf, der selbst dem Papst kräftig ins Gesicht pustet und sein Käppchen davon weht. Panisch werden überall Plastikfolien ausgepackt, neidisch beobachte ich die Leute, die ich vormittags noch ausgelacht habe, weil sie Regenschirme mitgenommen haben.
Ich kauere mich auf den Boden, beginne vor Kälte zu zittern und suche auf der Leinwand vergeblich Papst Benedikt. Sein Gesicht versteckt sich hinter einem großen, weißen Regenschirm. Er hat seine Ansprache unterbrochen. Aber er harrt aus. Später wird berichtet, dass man zweimal an den Papst herantrat: „Heiliger Vater, wäre es nicht besser zu gehen?“ Seine Antwort: „Ich bleibe.“
Das Wetter tut der Stimmung keinen Abbruch. Weiterhin erschallen „Benedetto“-Sprechchöre und laute „Viva!“-Rufe über das ganze Feld, endlich wieder Benedikts Gesicht auf der Leinwand, er lächelt. „Danke, dass ihr durchgehalten habt.“ Lauter Jubel, der Regen lässt nach, hört schließlich ganz auf.
Stille Anbetung mit eine Million Jugendlicher
Nun kommt die Anbetung vor dem Allerheiligsten. Wie das funktionieren soll, weiß ich nicht, tat ich mich normalerweise ohnehin schwer, bei der dauerjubelnden Menschenmasse meine Konzentration auf Gott zu richten. Doch das unfassbare Wunder geschieht: Die Menge verstummt, eine Millionen Menschen knien sich buchstäblich in den Dreck, falten die Hände, die Augen ergriffen auf den Leib Jesu gerichtet, und das fast eine Viertelstunde lang. Ich kann mich der Gänsehaut nicht erwehren und spüre in diesem Moment die Gegenwart Gottes so deutlich wie nur selten. Ich danke Gott für diese Erfahrung.
Der Abschlussgottesdienst
Beim Abschlussgottesdienst stehe ich diesmal ganz hinten, mit Mühe kann ich auf den Bildschirm blicken, der Altar ist außer Sichtweite.
Der Papst spricht noch einmal zu den Jugendlichen. Er lädt uns ein, Apostel zu sein, in die Welt hinaus zu gehen, Zeugnis abzulegen für unseren Glauben. Dabei können wir uns auf die Kirche stützen, denn diese Gemeinschaft ist für uns Christen lebensnotwendig und besser als individuelles Heilsstreben.
Besonders die Brasilianer haben auf diesen Augenblick gewartet: Die Verkündung, wo der nächste Weltjugendtag stattfinden wird. Als der Name „Rio de Janeiro“ fällt, erschallt lautes Jubelgeschrei und blau-gelb-grüne Flaggen flattern durch die Luft.
Nach dem Angelusgebet ist Schluss. Ein letztes Mal winkt der Papst.
Es geht nach Hause, zurück in die Welt, in die wir jetzt als Apostel gesandt wurden, wie es der Papst uns zum Auftrag gemacht. Ich bin neu bestärkt worden in meinem Glauben, aber habe ich den Mut, das auch zu zeigen? Bin ich bereit, Apostel zu sein? Oder traue ich mich nicht einmal mehr, mein „Pope I like“-T-Shirt in der Schule anzuziehen? Auf meinem neuen Facebook-Profilfoto habe ich es an und bin deswegen auch schon gefragt worden: „Du magst doch nicht wirklich den Papst?“ Doch, ich mag ihn. Er mag mich. Wir beide mögen Jesus. Neben einer Milliarde von anderen Menschen. Das genügt.“
Rudolf Gehrig
Red. MS