Hallo Pater Klaus,
Seit ich im Sommer den Jakobsweg in Spanien gegangen bin, wächst die Sehnsucht in mir nach Gott, Tag für Tag. Ich wohne in Österreich und in meiner Nachbarschaft gibt es ein Kapuzinerkloster. Mit dem dortigen Bruder pflege ich einen lockeren Kontakt. Ich denke dass ein Eintreten ins Kloster bei den Kapuzinern der richtige Weg für mich ist, daher werde ich Anfang November eine Woche im Kloster mitleben um zu entscheiden.
Da ich aber offen für alles bin, war ich letztes Wochenende mit einem Arbeitskollegen bei einer Messe der Freichristen Dort wurde ich (nachdem ich meine Tendenzen fürs Kloster geäußert hatte) auf die Bibel verwiesen, und mir wurde erklärt, dass Jesus wollte, dass die Menschen das Evangelium verkünden und nicht dass sie sich ins Kloster zurückziehen. Nun bin ich verwirrt. Zusätzlich zur Unruhe, die ich verspüre, kommt noch der Zweifel an mir, an meinem Vorhaben und am Glauben allgemeinen dazu. Was sagen Sie als Experte dazu? Bin ich berufen? Soll ich ins Kloster? Was sagt die Bibel? Bitte helfen Sie mir!
Vielen Dank einstweilen und Alles Liebe.
Christoph
Dein Reich komme!
Lieber Christoph in Christus,
viele Grüße und herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Zuerst einmal muss ich sagen, dass die Möglichkeiten des Internet natürlich begrenzt sind, und dass es vielleicht gut wäre, wenn Sie mit einem guten Priester persönlich sprechen würden. Dazu könnte ich Ihnen evtl. helfen, wenn Sie mir sagen würden, wo genau Sie leben.
Aber nun zum wesentlicheren: Sie spüren eine Berufung in Ihrem Herzen. Das ist eine wunderbare Sache, und durchaus eine Realität, die wir immer wieder und im Lauf der Kirchengeschichte beständig entdecken: Gott ruft Menschen in seine Nachfolge. Dafür dürfen wir sehr dankbar sein, besonders wenn Gott seinen liebenden Blick genau auf uns richtet. Also, es gibt selbstverständlich Berufung.
Wohin nun eine konkrete Berufung geht, ist so nicht zu sagen. Da gehören einige Elemente dazu.
Ich würde drei nennen:
- das persönliche und aufrichtige Gebet
- die geistliche Begleitung durch einen erfahrenen geistlichen Begleiter
- die Großzügigkeit.
Im persönlichen Gebet wachsen wir näher zu Gott hin und öffnen ihm schrittweise den Zugang zu unserem Inneren. Er selber wird uns dann mehr und mehr zeigen, wo wir hin gehören; wo er uns haben will. Daher mein Rat: beten Sie regelmäßig, innig, gut und offen. Sprechen Sie täglich mit dem Herrn, der in ihrem Gewissen einen besonderen Platz eingenommen hat. Befragen Sie ihn, bitten Sie um Licht und Hilfe; lieben Sie Gott im Gebet.
Suchen Sie sich des Weiteren einen geistlichen Begleiter. Wenn ich weiß, wo Sie leben, kann ich Ihnen vielleicht dabei helfen. Sonst gibt es auch Anlaufstellen in der Diözese, die mit dem Thema Berufungen beschäftigt sind.
Und schließlich: Seien Sie großzügig. Wenn Gott ruft, dann haben Sie keine Angst zu antworten. Auch wenn der Weg nicht der letzten Endes richtige ist: wenn ein Mensch mit Gott geht, dann wird dieser ihn führen. Warten Sie nicht zu lange; prüfen Sie, schauen Sie, wo Sie sich hingezogen fühlen, was Sie gut können, welche Talente Gott Ihnen in die Wiege gelegt hat. Und besuchen Sie mit großer Offenheit und Aufrichtigkeit das ein oder andere Kloster.
Ein Angebot, das Ihnen helfen kann, wäre Kloster auf Zeit, oder Exerzitien. Unser Noviziat in Deutschland hält im Januar Neujahrsexerzitien ab. Vielleicht wollen Sie ein paar Tage in die Stille gehen und mit jungen Männern sprechen, die auch ihre Berufung suchen oder bereits gefunden haben. Melden Sie sich einfach bei mir oder bei novdeutschland@legionaries.org und schreiben oder sprechen Sie mit Br. Gabriel (Tel. +49 / 2253 / 2003).
Schließlich zu Ihrer Sorge mit den freikirchlichen Argumenten über das Klosterleben: Dort besteht natürlich das grundlegende Problem, dass kathol. Kirche und freikirchl. Gruppen oft von zwei unterschiedlichen Grundlagen ausgehen und von dort her argumentieren; die freikirchliche Gruppe, mit der Sie zu tun haben, lässt nur die Bibel als Argument zu; die kathol. Kirche dagegen die Bibel und die lebendige Tradition der 2000 Jahre Geschichte unter der Führung des Heiligen Geistes. Schon bald nach Entstehen der Kirche sind Menschen in einsame Gegenden gegangen, um sich ganz und ausschließlich Gott und seinen Dingen zu widmen. Sie haben das sicherlich unter der Führung des Heiligen Geistes getan; wie auch die Bibel unter seiner Führung geschrieben wurde. Dass darüber nichts in der Bibel steht, ist ganz klar, denn die Bibel wurde im 1. Jahrhundert geschrieben, die ersten Klöster und Gemeinschaften entstanden erst ein wenig später. Aber beides widerspricht sich in keinster Weise.
Sie sehen, meine Antwort wird lange. Wir sollten wohl persönlich darüber sprechen. Lassen Sie sich nicht durch Halbwahrheiten von Ihrem Weg in der katholischen Kirche abbringen.
Vielleicht melden Sie sich einmal telefonisch, oder ich kann Ihnen einen Priester vermitteln, mit dem Sie sprechen können. Ich würde mich freuen, Ihnen zu helfen.
Lieber Christoph, Gott segne Sie. In der Hoffnung, bald von Ihnen zu hören, bleibe ich im Gebet verbunden,
P. Klaus Einsle LC